Klartext reden ist nicht die Art von Notenbankern. Sie sprechen in ritualhafter Form und nutzen Codewörter für Marktinsider. Wer die Erklärungen von EZB-Chef Trichet zur Zinserhöhung verstehen will, muss das Grundvokabular beherrschen.
Wie früher die Kremlherrscher und heute noch der Papst sprechen Zentralbanker in Signalwörtern. Die Pressekonferenz, bei der Trichet immer englisch spricht, wird live im Internet übertragen. Wer ihn verstehen will, sollte folgende Kommunikationsmethoden und geldpolitische Signalwörter der EZB kennen:
Introductory remarks
Zu Beginn der Pressekonferenz liest Trichet die "Eröffnungsbemerkungen" vor. Der rund 8000 Worte umfassende Text spiegelt die gemeinsame Sicht des EZB-Präsidenten, der fünf anderen Direktoriumsmitglieder und der 17 nationalen Notenbankchefs wider. Beim Verfassen dieses Dokuments ringen die 23 Zentralbanker um jedes Komma, nichts bleibt dem Zufall überlassen. Entscheidend sind hier bestimmte Signalwörter, die Trichet häufig bei der anschließenden Fragerunde noch näher erläutert.
Strong vigilance
Die "starke Wachsamkeit" ist der Schlüsselbegriff, der eine unmittelbar bevorstehende Zinserhöhung ankündigt. Trichet hatte den Begriff bei der vergangenen EZB-Sitzung am 3. März benutzt, um die Märkte auf den Zinsschritt vorzubereiten. Marktbeobachter sind jedoch nicht sicher, ob der Euro-Notenbankchef den Begriff am Donnerstag erneut nutzt.
Vielmehr könnte Trichet die Formulierung gebrauchen, der zufolge die EZB "bereit bleibt, entschlossen und zügig zu handeln" ("the ECB remains prepared to act in a firm and timely manner"). Diese Wortwahl würde die Wahrscheinlichkeit weiterer Zinsschritte signalisieren, ohne dass sie unbedingt schon ab Mai erfolgen müssten. Die Notenbanker könnten so die Marktreaktionen auf ihren Zinsschritt beobachten und den Leitzins erst später in einem oder mehreren Schritten auf 2,0 Prozent bis zum Jahresende erhöhen.
Anchored inflation expectations
Um die Zinsabsichten der EZB für den Rest des Jahres zu verstehen, sind die Formulierungen zum Thema Inflation entscheidend. Für die Euro-Notenbank ist es wichtig, dass "Inflationserwartungen verankert" bleiben. Entscheidend für die EZB ist nämlich nicht, dass die Inflationsrate im März auf 2,6 Prozent gestiegen ist. Viel wichtiger ist aus Sicht der Notenbank der Glaube von Verbrauchern und Unternehmen daran, dass die Teuerungsrate mittelfristig bei dem EZB-Ziel von knapp unter 2,0 Prozent bleibt.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch, ob die EZB "Zweitrundeneffekte" ("second round effects") fürchtet. Das bedeutet, dass die Preise als Folge von Lohn- oder Kostenerhöhungen steigen. Betont Trichet solche "Aufwärtsrisiken" ("upside risks") für Preisstabilität, kann man schließen, dass die Notenbanker steigende Inflationserwartungen sehen. Weitere Zinsschritte sind dann so gut wie sicher.Uncertainty remains elevated
Trichet muss sich auch Hintertüren offenhalten, falls unerwartete Ereignisse die Euro-Konjunktur dämpfen. Deshalb dürfte er darauf hinweisen, dass "die Unsicherheit hoch bleibt". Zudem dürfte der EZB-Chef betonen, dass er und seine Kollegen bei ihren Zinsentscheidungen "nie im Voraus festgelegt" ("never precommitted") sind. Trichets Umgang mit diesen Punkten ist wichtig. Er zeigt, ob sich Trichet, die Direktoriumsmitglieder und die Zentralbankchefs im EZB-Rat auf einen schrittweisen Zinsanstieg über den Jahresverlauf verständigt haben oder ob es Streit gibt zwischen Zinsfalken und Zinstauben.
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Quelle: www.fdt.de
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